Hildegard Breiner ist eine jener Personen, die zur Institution geworden sind. In Sachen Umweltschutz ist sie Ansprechpartner Nummer 1. Kein Wunder, dass sie der geplante Kiesabbau am Fuße der Kanisfluh im Bregenzerwald nicht kaltlässt. Im interview mit Angelika Drnek erzählt Breiner, was sie gegen das Projekt unternehmen wird.
Eigentlich wäre die Kanisfluh das allererste Thema, das es mit Hildegard Breiner zu besprechen gilt. Doch das Wetter am Tag des Interviews könnte glauben machen, Bregenz liege in einer tropischen anstatt in einer gemäßigten Klimazone.
Zur Kanisfluh: Was bedeutet Sie Ihnen?
Die Kanisfluh ist ein unantastbarer, heiliger Berg. Er muss einfach tabu bleiben. Das ist auch die Meinung der Bevölkerung – und nicht nur im Bregenzerwald. Da schlummern viele tiefe Gefühle, die sich erst in der Gefahrensituation äußern. Das Gefühl ist: „Das ist einfach unser Berg. Wie kann jemandem so etwas wie ein Steinbruch an dieser Stelle einfallen?“
Warum ein heiliger Berg?
Er ist ein Solitär, im weiteren Umfeld gibt es keinen solchen Berg. Er steht ja quer zum Tal und genau an der Schnittstelle von eurasischer und afrikanischer Platte. Das ist natürlich nicht im Bewusstsein der Menschen, sondern da steht eher die Kanisfluh als der Berg mit Edelweiß im Vordergrund. Interessanterweise hat der amtliche Naturschutz schon 1886 begonnen, das Edelweiß der Kanisfluh zu schützen. Die Sonntagausflügler sind damals anscheinend mit Armen voll Edelweiß zurückgekommen. Auch später gab es da nochmals einen Antrag, 1904, von Jodok Fink, dem späteren Vizekanzler.
Nun soll am Fuße des heiligen Bergs ein Kieswerk errichtet werden.
Es ist ein Steinbruch, kein Kieswerk. Kies ist ja vom Waser gerundetes Steinmaterial, das findet man aber nicht am Fuße der Kanisfluh. Abbauen würde man Schotter, der dann zurechtgeschliffen wird. Kies gibt es in der Bregenzer Ache genügend, zumindest für den Bregenzerwald. Die Zahlen, die die Betreiberfirma vorlegt, sind aber nicht jene für den Bedarf im Wald, sondern für den Export. In die Schweiz, nach Liechtenstein, Deutschland. Ich möchte mal die ehrlichen Zahlen sehen.
Reinhard Haller hat sich in der Causa sehr deutlich geäußert. Dieses Projekt sei von einem bestimmten Zeitgeist getragen, der ein Naturdenkmal unwiederbringlich zerstören würde. Dahinter stecke die Gewinnmaximierung. Wie sehen Sie das?
Genauso. Es war immer schon so, dass Natur zu Geld gemacht wird. Hier darf man es einfach nicht soweit kommen lassen.
Was planen Sie in der Sache weiter? Mehr als protestieren kann man ja derzeit nicht.
Man hat später die Möglichkeit, Einsprüche zu erheben. Und wir sind schon in anderen Dingen vor Gericht gegangen. Wir sind nicht so steinreich, dass wir den Kies für ein Gutachten hätten, aber bei wichtigen Angelegenheiten bekommen wir über Crowdfunding genug Geld zusammen.
Haben Sie das vor?
Wenn es nötig ist, ja, aber ich hoffe, dass es nicht so weit kommt.
Hätten Sie einen Alternativvorschlag für die Firma Rüf?
Diese soll erst einmal die richtigen Zahlen auf den Tisch legen. Immer wird von Großbauten im Bregenzerwald gesprochen, aber der Kies-Bedarf dafür wäre viel geringer als angegeben.
Haben Sie einen konkreten Wunsch an die Politik?
Farbe bekennen! Ich habe an sämtliche Regierungsmitglieder und an die Klubs Einladungen für die Ausstellungseröffnung „Üsa Kanis“ geschickt. Nun, alle, ausnahmslos alle, hatten Terminschwierigkeiten. Da wird wohl gefragt, auch welche Seite man sich begibt und wer der stärkere Partner ist. Das ist natürlich die Wirtschaft. Aber auch Ameisen können einen Riesen niederzwingen.
Sie haben sich ja sowohl gegen Zwentendorf als auch gegen Wackersdorf eingesetzt. War damals der Kampfgeist größer als heute?
Nach dem Krieg waren alle auf den Aufbau konzentriert, und irgendwann hat man gemerkt, dass das in die falsche Richtung geht. Die Leute haben sich dann wirklich beteiligt. Damals gab es diesen Wohlstand noch nicht, der auch bequem macht. Ein mausklick ist einfacher, als sich mit Tränengas herumzuschlagen. Das Bewusstsein wird derzeit aber wieder stärker, Vielleicht auch, weil die Lebenssituationen prekärer werden.
Wie kam der Naturschutz zu Ihnen?
Begonnen hat es bei meinem Mann und mir mit der Anti-Atom-Bewegung. Es kamen dann viele andere Felder dazu: Verkehr, Gentechnik, aber auch erneuerbare Energie. Man kann nicht immer nur dagegen sein, man muss auch Auswege aufzeigen.
Was kann eine Organisation wie der Naturschutzbund, deren Präsidentin Sie in Vorarlberg sind, erreichen?
Es kommt immer auf die beteiligten Personen an. Wenn die miteinander können und nach außen den richtigen Ton treffen, lässt sich einiges erreichen. Natürlich merkt man bei großen Projekten die eiserne Wand der Wirtschaft. Sie lassen uns dann die kleineren Erfolge. So weit blicken wir schon durch. Aber auch bei den großen Projekten ist es so: Gäbe es unseren Widerstand nicht, wären sie viel massiver.
Woran hapert es in Vorarlbergs Umweltschutz?
Es fehlen die vorausschauenden Konzepte. Überall wird vor sich hingewurschtelt. Bei Grund und Boden etwa. Landesrat Türtscher hat damals noch einen großen Wurf gemacht mit der Reservierung der Landesgrünzonen. Aber seitdem? Es fehlt einfach das Konzept. Nicht nur in Vorarlberg. Wenn es jemandem ernst ist zu gestalten, dann muss man auch die nächsten Generationen miteinbeziehen. Da traut sich aber niemand drüber, und die Angst vor dem Verlust der Wählerstimmen ist viel zu umfassend. Dabei ist das Volk oft weiter – wenn man es entsprechend aufklärt. Leider ist niemand da, der sich ohne Rücksicht auf Legislaturperioden traut, auch längerfristige Dinge durchzuziehen.
Wünschen Sie sich von jemand Speziellem in der Regierung mehr Mut?
Meine Devise ist immer: Geh zum Schmied und nicht zum Schmiedl. Ich habe ein sehr gutes persönliches Verhältnis zu Markus Wallner, aber ein bisschen mehr Standing in bestimmten Dingen würde ihm guttun.
Sie sind eine kämpferische Person in Sachen Umweltschutz. Wird man nie müde?
Man muss das Naturell haben, nicht einfach aufzugeben. Trotzdem weitermachen. Wenn man nicht wieder aufstehen kann, hat man in dieser Szene nichts verloren. Interessant ist, dass vor allem Junge es sehr schätzen, wenn sich jemand schon lange engagiert.
Sie haben einmal gesagt, dass Ausdauer die Macht der Ohnmächtigen ist.
Nun ja, Alt-Landeshauptmann Sausgruber meinte einmal, er wisse nicht, was er an mir mehr schätze: meine freundliche Beharrlichkeit oder meine beharrliche Freundlichkeit.
Wie kann jeder und jede im Alltag einen Beitrag im Umweltschutz leisten?
Zum Beispiel der Einkauf von regionalen und saisonalen Lebensmitteln, die wenig Verkehr verursachen und in Bio-Qualität angeboten werden. Auch die Nutzung des öffentlichen Verkehrsnetzes. Klar muss man da etwas mehr in die Organisation investieren, aber es geht. Und ich empfehle, auf Ökostrom umzusteigen. Und was man nicht vergessen sollte: Mit jedem kleinen Einkauf kann man lenken.
Wie sehr genießen sie Zeit in der Natur – und wie oft sehen sie Umweltsünden?
Vor allem habe ich einen Blick für die Schönheiten der Natur. Jeden Mittwoch bin ich bereits seit Jahrzehnten im ganzen Land am Bergwandern. Das ist „Hildegards heiliger Mittwoch“. Und natürlich sieht man das auch manchmal, was gerne im Verborgenen geblieben wäre.